Häufige Fehler: Wie Eltern unbewusst psychisch schwache Kinder großziehen – Warnung eines Psychiaters
Manchmal müssen Kinder lernen, Probleme selbst zu lösen oder die Konsequenzen ihrer Entscheidungen alleine zu tragen. Dieser Prozess, auch wenn er für Eltern oft schwer mitanzusehen ist, ist entscheidend für die Entwicklung von mentaler Stärke und Resilienz bei Kindern.
Psychiater und Bestsellerautor Daniel Amen hebt hervor, dass Eltern häufig den Fehler machen, ihren Kindern zu viel abzunehmen oder sie zu sehr zu „bemuttern“.
Diese Überfürsorge kann langfristig dazu führen, dass Kinder nicht lernen, eigenständig zu denken, Herausforderungen zu bewältigen oder aus Fehlern zu lernen. Im Podcast „Built Different“ erklärte Amen, dass solche Verhaltensweisen zu „psychisch schwachen Kindern“ führen können.
Beispiele für solche Überfürsorge sind alltäglich: Eltern, die das vergessene Schulprojekt des Kindes selbst erledigen, um eine bessere Note zu sichern.
Oder solche, die beim geringsten Anzeichen eines Wutanfalls sofort nachgeben und dem Kind alles ermöglichen, nur um den Konflikt zu vermeiden. Während solche Handlungen kurzfristig Frieden schaffen, schränken sie die mentale Belastbarkeit des Kindes ein und verhindern, dass es lernt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Amen beschreibt aus seiner eigenen Erziehungspraxis, wie er diese Dynamik bewusst vermieden hat. „Wenn meine Tochter ihre Hausaufgaben zu Hause vergessen hat, bringt sie niemand zur Schule“, erzählt er. „Wenn sie an einem kalten Tag keine Jacke mitnimmt, obwohl ihre Mutter sie ausdrücklich daran erinnert hat, bringt ihr auch niemand die Jacke.“
Solche Momente, so Amen, sind wertvolle Lektionen. Kinder lernen dadurch, die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen und vorausschauender zu handeln. Eine vergessene Hausaufgabe oder ein kalter Tag ohne Jacke können unangenehm sein, aber sie sind keine Katastrophen – sie sind Chancen, aus Fehlern zu lernen.
Ein weiteres Beispiel ist der Umgang mit Langeweile. Wenn ein Kind sagt: „Mir ist langweilig“, neigen viele Eltern dazu, sofort eine Lösung anzubieten – sei es durch Vorschläge für Aktivitäten oder das Bereitstellen von Unterhaltung, wie einem Tablet oder Spielzeug.
Amen empfiehlt jedoch, diese Momente zu nutzen, um die Kreativität und Problemlösefähigkeiten der Kinder zu fördern.
Statt direkt einzugreifen, könnte man sagen: „Ich frage mich, was du dagegen unternehmen wirst.“ Indem Kinder selbst überlegen müssen, wie sie ihre Langeweile vertreiben können, lernen sie, kreativ zu sein und Eigenverantwortung zu übernehmen.
Die Konsequenzen von Überfürsorge reichen laut Amen tiefer, als viele Eltern zunächst vermuten. „Wenn Sie zu viel für Ihre Kinder tun, steigern Sie Ihr eigenes Selbstwertgefühl, indem Sie ihres verringern“, betont er.
Eltern, die ständig einspringen, senden unbewusst die Botschaft, dass ihre Kinder nicht fähig sind, Dinge selbst zu bewältigen. Diese Haltung untergräbt das Vertrauen der Kinder in ihre eigenen Fähigkeiten und hindert sie daran, mentale Stärke zu entwickeln.
Mentale Stärke entsteht nicht durch perfekte Umstände oder das Vermeiden von Fehlern, sondern durch das Überwinden von Herausforderungen. Wenn Kinder lernen, selbst Lösungen zu finden, entwickeln sie nicht nur Resilienz, sondern auch ein gesundes Selbstbewusstsein.
Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um später im Leben mit Rückschlägen, Enttäuschungen und schwierigen Situationen umzugehen.
Amen und andere Experten wie die Kinderpsychologin Tovah Klein sind sich einig:
Eltern können ihren Kindern am besten helfen, indem sie sie ermutigen, Probleme selbst anzugehen, anstatt ständig einzuschreiten.
Ob es darum geht, Konflikte mit Freunden zu lösen, den eigenen Alltag zu organisieren oder mit Frustrationen umzugehen – je mehr Kinder die Möglichkeit haben, solche Herausforderungen selbst zu meistern, desto besser sind sie auf die Anforderungen des Lebens vorbereitet.
Die mentale Resilienz von Kindern zu stärken, erfordert keinen Ansatz von „harter Liebe“ oder strengen Strafen. Stattdessen betont die Kinderpsychologin Tovah Klein vom Barnard College, dass ein empathischer und unterstützender Erziehungsstil deutlich effektiver ist, um Kinder auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten.
Eltern sollten ihre Kinder nicht übermäßig vor Enttäuschungen bewahren, sondern ihnen erlauben, Rückschläge, Fehler und schwierige Momente zu erleben. Solche Erfahrungen, so Klein, sind wichtige Gelegenheiten, um mentale Stärke und Problemlösefähigkeiten zu entwickeln.
Ein zentraler Bestandteil dieses Ansatzes ist, den Kindern zu signalisieren, dass sie nicht allein sind – unabhängig davon, wie sie mit Herausforderungen umgehen.
Klein beschreibt diesen Stil als „empathisch und verbunden“ und gibt als Beispiel: „Das könnte schwer für dich sein, aber ich bin hier, wenn du fertig bist.“ Dieser Satz zeigt, dass die Eltern die Schwierigkeiten des Kindes anerkennen, es aber dennoch ermutigen, den Moment selbst zu bewältigen.
Die Botschaft dahinter ist klar: „Ich vertraue darauf, dass du diese schwierige Sache bewältigst, und ich bin für dich da – egal, wie es ausgeht. Ob du gewinnst, verlierst oder irgendwo dazwischen landest: Ich bin an deiner Seite.“
Solch ein Ansatz fördert das Selbstvertrauen der Kinder. Sie erkennen, dass sie Herausforderungen nicht nur überstehen können, sondern dass sie auch in schwierigen Momenten auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen können.
Diese Balance zwischen Unterstützung und Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes ist der Schlüssel zur Entwicklung von Resilienz. Darüber hinaus betont Klein, wie wichtig es ist, Kinder dazu zu ermutigen, aktiv in ihrem Umfeld mitzuwirken.
Ob es darum geht, alltägliche Aufgaben im Haushalt zu übernehmen, einem jüngeren Geschwisterkind zu helfen oder sich für Freunde und Klassenkameraden einzusetzen – all diese Handlungen stärken nicht nur das Verantwortungsbewusstsein, sondern geben den Kindern auch das Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden.
Sie lernen, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind und dass sie durch ihre Beiträge einen Unterschied machen können.
Die American Psychological Association hebt in einem Blogpost aus dem Jahr 2012 hervor, dass Kinder durch diese Form der Einbindung und Verantwortung die Fähigkeiten entwickeln, selbstbewusst eigene Herausforderungen anzugehen.
Die Erfahrung, dass sie durch eigenes Handeln positive Auswirkungen erzielen können, stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre Fähigkeit, mit schwierigen Situationen umzugehen.
Psychiater Daniel Amen fügt hinzu, dass Eltern ihre Kinder ermutigen sollten, eigene Lösungen für ihre Probleme zu finden. Das bedeutet, sich bewusst zurückzunehmen und dem Kind Raum zu geben, selbstständig nachzudenken.
Ein einfaches Beispiel dafür könnte sein, das Kind zu bitten, nach einem Streit mit einem Freund selbst zu überlegen, wie es den Konflikt klären könnte, anstatt als Eltern sofort einzugreifen und eine Lösung vorzugeben.
Wenn Eltern ihre Kinder ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und aus eigenen Erfahrungen zu lernen, helfen sie ihnen nicht nur, mentale Stärke zu entwickeln, sondern bereiten sie auch darauf vor, selbstbewusste und resiliente Erwachsene zu werden. Diese Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen und Lösungen für Probleme zu finden, wird ihnen ein Leben lang zugutekommen.