Parentifizierte Tochter: Wie zu frühes Erwachsenwerden dein Leben langfristig beeinflusst
Kindheit sollte eine Zeit der Unbeschwertheit sein, in der ein Kind vor Sorgen geschützt ist, in der es spielt, die Welt entdeckt und sich ohne Lasten entwickeln kann. Doch was passiert, wenn diese Rechte verwehrt werden?
Was geschieht, wenn ein Kind schon in jungen Jahren mit Verantwortungen belastet wird, die weit über sein Alter hinausgehen? Wenn es statt zu spielen die emotionalen Sorgen seiner Eltern trägt, sich um jüngere Geschwister kümmern muss und die Rolle eines Erwachsenen übernehmen muss? Eine solche Kindheit bedeutet nicht nur den Verlust von Freiheit, sondern hat tiefgreifende Auswirkungen auf das ganze Leben.
Was ist eigentlich das Wort Parentifizierung?
Parentifizierung ist ein Begriff aus der Psychologie, der beschreibt, wenn ein Kind in der Familie eine Rolle übernimmt, die normalerweise einem Elternteil zugeschrieben wird.
Dies kann auf verschiedene Weise geschehen: Das Kind übernimmt Verantwortung für das emotionale Wohlbefinden eines Elternteils, kümmert sich um jüngere Geschwister oder übernimmt organisatorische Aufgaben, die über das hinausgehen, was für ein Kind im entsprechenden Alter üblich wäre.
Dies kann in einer Weise geschehen, die die natürliche Entwicklung des Kindes beeinträchtigt und zu Problemen wie Schuldgefühlen, Überforderung oder einem gestörten Verhältnis zu den eigenen Bedürfnissen und Emotionen führen kann. In extremen Fällen kann die Parentifizierung langfristige psychische Belastungen verursachen.
15 Anzeichen, dass eine Tochter als Kind parentifiziert wurde
- Übernahme der Verantwortung für jüngere Geschwister.
- Kümmern um die emotionalen Bedürfnisse der Eltern.
- Verantwortung für die Lösung von Konflikten in der Familie.
- Erledigung unangemessener Aufgaben wie Hausarbeit oder Einkaufen.
- Zuhören der Sorgen der Eltern und Versuch, sie zu trösten.
- Übernahme von Entscheidungen, wenn die Eltern abwesend oder überfordert waren.
- Wenig Zeit für eigene Bedürfnisse und Wünsche.
- Verantwortung für das Wohlbefinden der Familie.
- Zwang, die „starke“ Person in der Familie zu sein.
- Eigene Gefühle hintenanstelle, um anderen zu helfen.
- Einnehmen einer „Erwachsenenrolle“, obwohl noch ein Kind.
- Versuch, Harmonie in der Familie zu wahren, oft auf eigene Kosten.
- Frühe Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein.
- Wenig Gelegenheit, einfach Kind zu sein oder zu spielen.
- Treffen von Entscheidungen, die normalerweise Erwachsenen obliegen.
Die Auswirkungen im Erwachsenenalter
- Übermäßige Verantwortungsübernahme
Es fällt schwer, loszulassen, da oft das Gefühl besteht, für das Wohl anderer verantwortlich zu sein, während die eigenen Bedürfnisse hintenangestellt werden.
- Schwierigkeiten, um Hilfe zu bitten
Es ist gewohnheitsmäßig, alles alleine zu bewältigen, und Unterstützung anzunehmen wird als Schwäche empfunden, selbst wenn sie dringend benötigt wird.
- Perfektionismus und hoher Leistungsdruck
Unrealistisch hohe Erwartungen werden an sich selbst gesetzt, und es fällt schwer, Fehler zu akzeptieren. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist stets präsent.
- Probleme, eigene Bedürfnisse zu erkennen
Da es als Kind erforderlich war, immer die Bedürfnisse anderer an erste Stelle zu setzen, fällt es heute schwer, eigene Wünsche und Grenzen zu erkennen und zu respektieren.
- Schwierigkeiten in Beziehungen
Oft wird die Rolle des „Kümmernden“ eingenommen, und es besteht die Angst, anderen zur Last zu fallen, was zu Ungleichgewichten und ungesunden Dynamiken in Beziehungen führen kann.
- Ständige Angst, nicht genug zu tun
Selbst in Momenten der Ruhe entstehen Schuldgefühle oder Unruhe, wenn eine Auszeit genommen wird oder auf die eigenen Bedürfnisse geachtet wird.
- Erschöpfung und emotionale Überlastung
Das ständige Geben ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse führt zu körperlicher und emotionaler Erschöpfung. Es kommt häufig zu einem Zustand der Ausgebranntheit, da die eigenen Ressourcen nie geschont wurden.
- Schwierigkeiten beim Entspannen
Ständige Anspannung und ein innerer „Alarmmodus“ machen es schwer, wirklich zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
- Ein tiefes Bedürfnis nach Anerkennung
Es wird unbewusst nach Bestätigung und Lob gestrebt, da in der Kindheit die Erfahrung gemacht wurde, dass man nur dann wertvoll ist, wenn man anderen nützlich ist.
- Angst vor Ablehnung
Es besteht häufig die Befürchtung, von anderen abgelehnt zu werden, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, was zu einem ständigen Bedürfnis führt, es allen recht zu machen.
Der Weg zur Heilung
Erlaube dir, zu spielen
Gib dir selbst die Erlaubnis, Kind zu sein – auch als Erwachsener. Malen, tanzen oder einfach mal wieder einen Film aus deiner Kindheit zu sehen, kann Wunder wirken. Schenke dir die Unbeschwertheit zurück, die du damals vermisst hast.
Lerne, klare Grenzen zu setzen
Es ist dein gutes Recht, dich selbst zu schützen. Setze Grenzen, auch innerhalb der Familie. Du bist genauso wichtig wie alle anderen, und deine Bedürfnisse sind es wert, gehört zu werden.
Werde dein eigener sicherer Ort
Lerne, für dich selbst zu sorgen. Erstelle Routinen, die dir helfen, zur Ruhe zu kommen, und sprich mit dir selbst wie mit einer besten Freundin – mit Liebe und Verständnis.
Suche dir Gleichgesinnte
Heilung erfordert Verbindung. Du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Finde einen Ort oder eine Gemeinschaft, in der du dich authentisch ausdrücken kannst – Menschen, die dich verstehen und bei denen du dich nicht erklären musst.
Vergib dir selbst
Du hast das getan, was du tun musstest, um zu überleben. Doch heute ist der Zeitpunkt gekommen, dir selbst zu vergeben. Du bist nicht mehr das Kind, das in eine Rolle gedrängt wurde. Heute bist du ein Erwachsener, der sich selbst die Freiheit zugesteht, zu leben und glücklich zu sein.
Lerne, dich selbst zu lieben
Akzeptiere dich selbst mit all deinen Stärken und Schwächen. Erkenne deinen eigenen Wert und schenke dir selbst die Liebe und Fürsorge, die du immer gebraucht hast.
Suche professionelle Hilfe, wenn nötig
Heilung kann auch bedeuten, dass du Unterstützung von außen suchst. Ein Therapeut oder Berater kann dir helfen, tief verwurzelte Wunden zu heilen und einen gesunden Umgang mit deinen Erfahrungen zu finden.