Die Mutter in der Opferrolle: Wie sie Verantwortung auf das Kind überträgt

Die Mutter in der Opferrolle: Wie sie Verantwortung auf das Kind überträgt

In manchen Familien nimmt eine Mutter – bewusst oder unbewusst – immer wieder die Rolle der „armen, überforderten“ oder „ungerecht behandelten“ Person ein. Sie fühlt sich von der Welt missverstanden, vom Leben benachteiligt oder von ihrem Umfeld enttäuscht. Diese Haltung kann dazu führen, dass sie emotionale Verantwortung, die eigentlich bei ihr selbst liegt, unbemerkt auf ihr Kind überträgt.

Besonders häufig zeigt sich dieses Muster bei alleinerziehenden, geschiedenen Müttern. Nach einer Trennung oder dem Verlust eines Partners können Gefühle von Einsamkeit, Überforderung oder Verbitterung noch verstärkt auftreten. Ohne es zu wollen, rutscht die Mutter dann leichter in die Rolle des „Opfers“ – und sucht Trost, Verständnis oder emotionale Entlastung bei ihrem Kind.

Das Kind wächst dann in einem Klima auf, in dem es sich ständig zuständig fühlt für das Wohlbefinden seiner Mutter. Es lernt früh, ihre Launen zu erspüren, ihre Bedürfnisse zu erfüllen oder sie emotional zu trösten – anstatt selbst Kind sein zu dürfen.

Wie erkennt man diese Dynamik?

Typische Merkmale einer Mutter in der Opferrolle sind:

  • Häufige Klagen über eigene Überforderung oder Ungerechtigkeit
  • Emotionale Erpressung („Wenn du mich lieb hast, dann machst du das für mich.“)
  • Verdeckte Schuldzuweisungen („Wegen dir habe ich so viel durchgemacht.“)
  • Übermäßiges Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung

Das Kind spürt oft subtil: „Ich bin verantwortlich dafür, dass es Mama gutgeht.“
Es übernimmt so Aufgaben, die eigentlich ein Erwachsener tragen sollte – emotionale Last, Verständnis, Fürsorge – und verliert dabei häufig den Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen.

Die Folgen für das Kind

Ein Kind, das dauerhaft die Rolle des „Kümmerers“ oder „Trösters“ einnimmt, entwickelt oft:

  • Ein übermäßiges Verantwortungsgefühl
  • Schwierigkeiten, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen oder durchzusetzen
  • Tendenzen zu Co-Abhängigkeit in späteren Beziehungen
  • Ein geringes Selbstwertgefühl, da es gelernt hat, dass seine eigenen Gefühle weniger wichtig sind

Viele Erwachsene, die so aufgewachsen sind, berichten später, dass sie sich schon als Kind „alt“ oder „zuständig“ gefühlt haben – und bis heute Mühe haben, klare Grenzen zu setzen.

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Wege aus der Dynamik

Um sich aus dieser ungesunden Verstrickung zu lösen, sind folgende Schritte hilfreich:
Erkennen: Verstehen, dass es nicht Aufgabe eines Kindes war (oder ist), für das Glück der Mutter verantwortlich zu sein.
Abgrenzen: Lernen, Nein zu sagen und eigene Bedürfnisse ernst zu nehmen, ohne Schuldgefühle.
Selbstfürsorge stärken: Sich selbst emotionale Unterstützung geben, die früher gefehlt hat.
Externe Hilfe suchen: Eine Therapie oder Gespräche mit vertrauenswürdigen Menschen können helfen, alte Muster aufzulösen.
Verantwortung zurückgeben: Innerlich klar machen: „Ich bin nicht zuständig für Mamas Gefühle.“ Diese Verantwortung gehört dorthin zurück, wo sie hingehört – zur Mutter.

Fazit

Wenn Mütter – besonders nach Trennung, Scheidung oder Alleinerziehung – unbewusst ihr Kind zur emotionalen Stütze machen, entsteht eine schwere Last, die bis ins Erwachsenenalter wirken kann.

Doch mit Bewusstheit, Grenzen und Selbstfürsorge ist es möglich, sich aus dieser Dynamik zu befreien und zu lernen, auf gesunde Weise für sich selbst da zu sein.